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Koalitionsvertrag … Frischer Wind – oder doch nur laues Lüftchen?

Holger Stein Credit Peter Fengler 1 scaled e1733857622734

Ein Kommentar von Holger Stein, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Friseurhandwerks

Mit dem Koalitionsvertrag 2025 sendet die kommende Bundesregierung klare Signale – auch in Richtung unserer Branche. Endlich wird anerkannt, dass das Friseurhandwerk mehr ist als „Dienstleistung am Menschen“: Es ist Wirtschaftsleistung, Ausbildungsmotor, Stabilitätsanker in den Städten und auf dem Land – und ein Kulturgut.

Dass das Friseurhandwerk nun ausdrücklich in den Katalog des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes aufgenommen werden soll, ist ein Meilenstein. Wir kämpfen seit Jahren dafür, dass faire Betriebe vor illegaler Konkurrenz geschützt werden. Jetzt hören wir endlich: Die Botschaft ist angekommen.

Auch die Pläne zur Stärkung der Tarifbindung, zu steuerlichen Entlastungen bei Mehrarbeit, zur Fachkräfteeinwanderung und zur Investition in berufliche Bildung lesen sich vielversprechend. Der politische Wille, Handwerk – und damit auch uns – zu stärken, ist spürbar.

Doch Papier ist geduldig. Was zählt, ist die Umsetzung – und die muss schnell, praxisnah und unbürokratisch erfolgen. Denn während in Berlin weiter beraten wird, kämpft unsere Branche mit Problemen, die die Strukturen des Friseurhandwerks massiv ins Wanken bringen.

Ein Mindestlohn von 15 Euro bis 2026? Wir teilen grundsätzlich das sozialpolitische Anliegen, auch wenn es kaum noch schwammiger zu formulieren ist. Aber ohne spürbare Entlastungen bei Energie, Steuern und Abgaben wird das für viele Salons zur wirtschaftlichen Zerreißprobe. Und hier liegt das Problem, zumindest für unser Handwerk. Turbo-Abschreibung, Strompreispaket und Steuersenkungen (dann auch bitte für Einzelunternehmen) hören sich gut an. Das Friseurhandwerk kann und wird von diesen Maßnahmen profitieren. Aber leider nur in einem begrenzten Rahmen. Die für uns so wichtigen Entlastungen, wie z.B. eine Reduzierung der Mehwertssteuer oder eine grundsätzliche Reform der Mehrwertssteuersystematik für arbeitsintensive Dienstleistungen, fehlt. Auch fehlt ein klares Bekenntnis zur Senkung der Sozialversicherungsbeiträge, die sowohl von Arbeitgebern als auch von Arbeitnehmern getragen werden und einen erheblichen Anteil der Lohnnebenkosten ausmachen. Eine Senkung dieser Beiträge hätte die Arbeitskosten für Unternehmen reduzieren und die Nettoeinkommen der Beschäftigten auf einfache Arte und Weise erhöhen können. Bleibt also die Hoffnung, dass die geplanten Maßnahmen in großen Teilen der Deutschen Wirtschaft Früchte tragen, die Kaufkraft stärken und den Menschen in diesem Land, unsere Kundinnen und Kunden, die notwendige wirtschaftliche Sicherheit und Zuversicht zurückgeben.

Der Wille zum Aufbruch und zur Veränderung ist spürbar. Die Koalitionäre der CDU/CSU und SPD zeigen sich motiviert und engagiert und gewillt, notwendige Veränderungen anzupacken. Zu kritisieren gibt es immer etwas. Zum Beispiel, dass wir es wohl niemals erleben werden, dass Herr Söder einen Sozialdemokraten öffentlich dutzen wird. Oder dass die neu gefundene Dutzfreundschaft zwischen Merz und Klingbeil nicht allein ausreichen wird, die Koaltion bis zur nächsten Bundestagswahl zu bringen. Egal. Heute ist wichtig, nicht nur zu kritisieren. Heute ist wichtig, die positiven Signale zu sehen und sich einen Moment lang zu freuen – wenn auch verhalten und nicht zu euphorisch.

Was bleibt, ist unsere Botschaft an die Politik: Wir sehen die Fortschritte – aber wir erwarten jetzt auch Tempo. Das Friseurhandwerk will Zukunft gestalten. Was wir dafür brauchen, ist ein Staat, der nicht nur fordert, sondern unterstützt. Ein Staat, der Vertrauen in die Leistungsfähigkeit seiner Betriebe und seiner Menschen zeigt.

Wir als Unternehmer- und Branchenverband werden diesen Prozess kritisch, konstruktiv und mit klarer Stimme begleiten – für unsere Betriebe, für unsere Mitarbeitenden, für unsere Auszubildenden, für unsere Branche. Denn wer täglich Menschen zum Strahlen bringt, hat auch selbst verdient, gesehen und gehört zu werden.