
Fokusthema Mindestlohn: Dazu ein Interview mit der Unternehmensberatung Peter Zöllner und Saloninhaber Thomas Trapp über steigende Mindestlöhne, betriebliche Herausforderungen – und echte Chancen für die Branche.
Wie bewerten Sie die geplanten Erhöhungen des Mindestlohns mit Blick auf das Friseurhandwerk?
Das Friseurhandwerk steht an einem entscheidenden Wendepunkt. In neun Bundesländern existieren keine gültigen Tarifverträge mehr, in vier weiteren gelten noch Regelungen aus dem Jahr 2018. Der gesetzliche Mindestlohn ist damit zur letzten wirksamen Schutzmaßnahme geworden, um faire Löhne zu sichern. Eine Anhebung auf 15 Euro ist nicht nur folgerichtig – sie ist ein wichtiger Schritt, um die Attraktivität der Branche für Fachkräfte zu erhöhen und die Basis für eine nachhaltige Entwicklung zu legen.
Was bedeutet eine Mindestlohnerhöhung wirtschaftlich für typische Friseurbetriebe
Für Salons, bei denen der aktuelle Mindestlohn eine Rolle spielt, bedeutet ein Anstieg auf 15 Euro einen Kostenanstieg von rund 17 % bei den Löhnen – bezogen auf den gesamten Personalkostenanteil kann das schnell von 45 % auf über 52 % steigen. Das belastet das Betriebsergebnis deutlich. Zusätzlich müssen meist auch besser verdienende Mitarbeitende angepasst werden, um das interne Gleichgewicht zu wahren. Diese Effekte erfordern ein gut durchdachtes betriebswirtschaftliches Konzept – einfach „weiter so“ funktioniert hier nicht mehr.
Viele Betriebe zahlen bereits über Mindestlohn. Warum trifft sie die Erhöhung dennoch?
Selbst wer bereits über Mindestlohn zahlt, bleibt von den Auswirkungen nicht verschont. Denn steigt die Lohnuntergrenze, zieht das häufig das gesamte Gehaltsgefüge nach sich. Sozialabgaben, Lohnnebenkosten und die berechtigten Erwartungen der Mitarbeitenden wachsen ebenfalls. Kurz gesagt: Die Spirale dreht sich weiter – und wer nicht vorbereitet ist, wird wirtschaftlich schnell unter Druck geraten.
Was können Saloninhaber:innen tun, um wirtschaftlich gegenzusteuern?
Die wichtigste Antwort lautet: Verantwortung übernehmen und betriebliche Klarheit schaffen. Dazu gehören:
- Eine Minutenpreis-Kalkulation einzuführen und konsequent zu nutzen
- Die Preisstruktur strategisch anzupassen
- Das Dienstleistungsangebot zu überprüfen und zu schärfen
- Kundengewinnung und Marketing zu modernisieren
- Und schließlich: Alle betrieblichen Kosten regelmäßig zu prüfen
Es gibt keine Patentlösung – jedes Unternehmen muss sein eigenes, tragfähiges Modell entwickeln. Der Blick von außen, etwa durch betriebswirtschaftliche Beratung, kann dabei wertvolle Impulse liefern.
Was raten Sie Friseurbetrieben mit Blick auf weitere Mindestlohnerhöhungen?
Vorbereitung ist das A und O. Salons sollten ihre Kalkulation schon jetzt auf 15 Euro pro Stunde ausrichten – nicht erst, wenn die Erhöhung beschlossen ist. Wer frühzeitig passende Preismodelle, interne Lohnsysteme und Effizienzmaßnahmen einführt, sichert nicht nur die eigene Existenz, sondern stärkt die Zukunftsfähigkeit des Betriebs.
Tipp: Wer mehr erfahren möchte, kann sich jetzt für das kostenlose Webinar „Erfolgreich wirtschaften bei 20 €/Stunde und mehr“ des LIV Niedersachsen am kommenden Montag anmelden – dort gehen wir tiefer auf die betriebswirtschaftlichen Chancen und Lösungen rund um steigende Löhne im Friseurhandwerk ein.
Ist der Markt überhaupt bereit für Preissteigerungen – oder verlieren Salons dann Kund:innen?
Salons sind Unternehmer:innen – und sie bestimmen selbstbewusst, was ihre Leistung wert ist. Preise sind keine reinen Zahlen, sie sind Ausdruck von Qualität, Anspruch und Selbstverständnis. Wer seinen Wert klar kommuniziert, findet auch die Kund:innen, die bereit sind, diesen zu honorieren. Der Markt ist da – man muss ihn nur gezielt ansprechen.
Wird durch steigende Mindestlöhne Schwarzarbeit gefördert?
Ganz im Gegenteil. Natürlich gibt es immer Einzelfälle – aber insgesamt steigt die Attraktivität, legal im Salon zu arbeiten. Ein höherer Lohn sorgt für für einen echten Anreiz, mehr zu arbeiten. Das bietet Chancen, die Branche insgesamt zu stärken und faire Arbeitsverhältnisse zu fördern.
Und zum Schluss: Ihr Tipp – worauf wird sich die Mindestlohnkommission einigen?
Wir gehen davon aus, dass sich die Kommission auf 14 bis 15 Euro einigen wird. Alles darunter würde die Realität in den Betrieben nicht abbilden. In vielen Großstädten sind solche Stundenlöhne längst gängige Praxis. Wichtig ist: Unternehmer:innen sollten nicht auf politische Entscheidungen warten, sondern proaktiv handeln und ihr Geschäftsmodell entsprechend weiterentwickeln.
Fazit: Die Erhöhung des Mindestlohns ist kein Risiko – sie ist eine Chance zur Erneuerung. Wer jetzt betriebswirtschaftlich denkt, Preise reflektiert, seine Leistungen klar positioniert und sein Unternehmen flexibel aufstellt, wird nicht nur bestehen – sondern gestärkt daraus hervorgehen.