Skip to content

Ein Kommentar anlässlich der Wahl von Bundeskanzler Friedrich Merz

Holger Stein Credit Peter Fengler 1 scaled e1733857622734

„Herr Merz, viel Erfolg – wir brauchen ihn!“
Stabilität, Struktur, Realitätssinn: Das Handwerk steht bereit – tut es die Politik auch?

Ein Kommentar anlässlich der Wahl von Bundeskanzler Friedrich Merz von ZV-Hauptgeschäftsführer Holger Stein

Ein zweiter Wahlgang zur Kanzlerwahl – das hat es in der Geschichte der Bundesrepublik noch nie gegeben. Friedrich Merz dürfte sich seinen Amtsantritt sicher anders vorgestellt haben. Ob das ein Fehlstart war, wird sich zeigen. Wenn die neue Bundesregierung scheitert, wird man diesen Moment als Beginn des Scheiterns deuten. Bringt sie das Land voran, ist alles schnell vergessen.

Doch für uns als Branche zählt weniger die Symbolik, sondern die Substanz. Die Frage ist nicht, wie spannend der Start war – sondern ob nun endlich wirtschaftspolitisch geliefert wird. In diesem Sinne: Herzlichen Glückwunsch, Herr Bundeskanzler Merz. Wir wünschen Ihnen und Ihrer Regierung Erfolg – nicht nur aus staatsbürgerlicher Loyalität, sondern auch aus ganz eigenem Interesse.

Politisches Theater zur Unzeit

Was allerdings irritiert: Die Kanzlerwahl wurde von einem Teil der Abgeordneten offenbar als Bühne für parteitaktische Denkzettel missbraucht. Wer immer sich mit Enthaltungen und Abweichungen profilieren wollte – in der aktuellen Lage war das ein Spiel mit dem Feuer. Deutschland braucht gerade jetzt Stabilität. Wer in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit das Parlament zur Bühne für Eitelkeit und Frust macht, gefährdet Vertrauen – und schadet nicht nur der Regierung, sondern dem ganzen Land.

Neues Kabinett – aber alte Baustellen

Die neue Regierung präsentiert sich mit bekannten Namen und neuen Gesichtern. Für das Friseurhandwerk heißt das: Die Ansprechpartner:innen wechseln, die Probleme bleiben. Fünf Ministerien werden entscheidend sein – und jedes einzelne steht jetzt in der Pflicht.

Lars Klingbeil (SPD) im Finanzministerium muss eine faire Balance finden. Als Finanzminister muss er verstehen, dass wir als Kleinunternehmer keine Steuertricks im Ausland haben. Wir zahlen, was wir verdienen – und das oft bis an die Schmerzgrenze. Was wir brauchen, ist eine Steuerpolitik, die fair mit kleinen Betrieben umgeht: niedrigere Belastungen, einfache Abschreibungen für Investitionen, weniger bürokratischer Aufwand bei Umsatzsteuer und Co. Und keine neuen Lasten über die Hintertür.

Katherina Reiche (CDU) im Wirtschaftsministerium bringt Konzern-Erfahrung mit. Ob sie die Realität kleiner Handwerksbetriebe kennt, bleibt offen. Jetzt hat sie die Chance, den Mittelstand nicht nur als Begriff, sondern als tatsächliches Rückgrat der Wirtschaft zu behandeln. Es braucht konkrete Entlastungen: Weniger Formulare, verständliche Förderprogramme, Planungssicherheit statt Verordnungschaos.

Karin Prien (CDU) übernimmt das Bildungsressort – ein Schlüsselressort für das Handwerk. Das duale System braucht nicht nur politische Bekenntnisse. Wenn Frau Prien das ernst nimmt, was sie über Bildung sagt, dann muss sie das Handwerk gleichwertig zur akademischen Bildung machen – nicht nur auf dem Papier, sondern mit konkreten Maßnahmen: Besser ausgestattete Schulen, gezielte Förderung von Auszubildenden, und eine klare gesellschaftliche Aufwertung des Handwerks. Denn das Handwerk ist kein „Plan B“.

Bärbel Bas (SPD) im Ministerium für Arbeit und Soziales wird ein harter Prüfstein. Die Herausforderungen sind klar: neue Auflagen, steigende Lohnkosten, rigide Regelungen – all das macht es immer schwerer, Menschen fest anzustellen. Gleichzeitig wächst der Druck, ohne dass die Realität kleiner Betriebe berücksichtigt wird. Flexible Arbeitszeiten, einfachere Beschäftigungsmodelle, und sozial gerechte, aber wirtschaftlich machbare Lösungen – das wäre die Aufgabe. Wir hoffen sehr, dass Frau Bas die Lebensrealität von kleinen Arbeitgebern verstehen will.

Karsten Wildberger (CDU) als Digitalminister darf nicht nur von Innovationen sprechen – er muss Grundlagen schaffen. Digitalisierung beginnt nicht beim autonomen Fahren, sondern bei funktionierendem Internet im ländlichen Raum, bei nutzbaren Förderportalen und verständlichen Tools für kleine Betriebe. Sonst bleibt alles Theorie.

Verantwortung ist keine Einbahnstraße

Bei aller berechtigten Kritik: Auch wir im Handwerk wissen, dass Verantwortung keine Einbahnstraße ist. Wir erwarten viel – aber wir leisten auch viel. In Zeiten von Fachkräftemangel, Inflation und Bürokratie investieren viele Unternehmer:innen trotzdem in Qualität, Ausbildung, Digitalisierung und faire Arbeitsbedingungen.

„Frag nicht, was Dein Land für Dich tun kann – frag, was Du für Dein Land tun kannst.“ Dieser Satz trifft den Kern. Wir modernisieren unsere Salons, bilden aus, schaffen Perspektiven – auch ohne Sonderprogramme oder große Reden. Das ist unsere Verantwortung. Aber was wir brauchen, sind faire Rahmenbedingungen, die das möglich machen. Keine Rettung, sondern Respekt – und endlich eine Politik, die das Handwerk nicht übergeht, sondern mitnimmt.

Fazit

Die neue Bundesregierung hat die Chance, aus Versprechen Realität werden zu lassen. Das Handwerk steht bereit. Jetzt ist die Politik am Zug – und zwar nicht morgen, sondern heute.